Willy Brandts Ostpolitik – Schlüssel zur deutschen Einheit oder Ursünde der Russlandpolitik?

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Am 6. März fand im Forum Willy Brandt Berlin eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zur historischen Einordnung und aktuellen Relevanz der Neuen Ostpolitik der 1970er Jahre statt. Unter dem Titel “Willy Brandts Ostpolitik – Schlüssel zur deutschen Einheit oder Ursünde der Russlandpolitik?” führten der Historiker Bernd Rother und der Publizist Albrecht von Lucke in einem bis auf den letzten Platz besetzten Haus durch den Abend.

Nach einer Begrüßung und thematischen Einführung von Kristina Meyer blickte Bernd Rother in seinem Vortrag zunächst auf die verschiedenen Etappen und Wirkungszusammenhänge von Brandts Ostpolitik in den 1960er und 1970er Jahren zurück. „Messen sollte man die Ostpolitik an den selbst gesteckten Zielen“, so Rother. „Sie wollte den Zusammenhalt der Nation wahren, die Tür zur Einheit Deutschlands offenhalten und schließlich auch ‚den dritten Weltkrieg verhindern‘, wie Brandt rückblickend sagte.“ Um das zu erreichen, waren die Akteure der Neuen Ostpolitik bereit, sich auf den Boden der Tatsachen zu stellen, sprich: die nach dem Zweiten Weltkrieg neu gezogenen Grenzen anzuerkennen.

In einem nächsten Schritt ging er der Frage nach, ob und inwieweit die Ostpolitik Brandts als Blaupause für den Weg zu einem Ende des Krieges und für eine friedliche Zukunft in der Ukraine dienen kann. Eine besondere Rolle spielten dabei die aktuelle Krise der transatlantischen Beziehungen und das Ende der sicherheitspolitischen Gewissheiten in der NATO und der EU. Im anschließenden Gespräch mit Albrecht von Lucke wurden die historischen und aktuellen Debatten um die Ostpolitik vertieft. Rückblickend betonte Rother insbesondere die Bedeutung von Brandts politischem Gespür für Verhandlungen in schwierigen Zeiten, warnte aber gleichzeitig vor einer unreflektierten Übertragung der damaligen Strategie auf die heutige geopolitische Lage.

„Seit dem 12. Februar, dem Tag, an dem die Vereinigten Staaten die Seiten wechselten und sich in das Lager Russlands begaben, ist es noch problematischer geworden, auf die Ostpolitik zu rekurrieren, wenn man nach einer Friedenslösung sucht, und am 28. Februar, am letzten Freitag, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass nur noch ganz allgemeine Bestandteile der Ostpolitik, oder besser: von Brandts Außenpolitik, in der heutigen Situation zur Anwendung kommen können. Wir erleben gerade mehr als eine Zeitenwende, wir stehen am Ende einer Epoche der Weltpolitik.“

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