Startseite / Willy Brandt / Forschung / Forschungsprojekte / Willy Brandt und Europa Willy Brandt und Europa Innovationen, Interventionen und Frustrationen auf dem Weg zur Union Laufendes Forschungsprojekt, PD Dr. Frank Wolff (Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung) Die Frage nach einem geeinten Europa ließ Willy Brandt von seinen ersten Artikeln im Exil bis zu seinem letzten Buchprojekt nicht los: Warum braucht es eine europäische Einigung? Wer gehört zu diesem Europa? Welche Struktur soll es haben und für wen wird es errichtet? Wer und was steht ihm entgegen? Und nicht zuletzt: Wie kann ein sozialdemokratisches Europa aussehen – und wie eine europäische Sozialdemokratie? Bislang hat die Forschung nur selektiv auf Willy Brandts europapolitisches Denken und Handeln geblickt, mit einem deutlichen Fokus auf die Exiljahre und seine Kanzlerschaft. Brandts Europapolitik war jedoch sowohl von Kontinuität wie von Wandel geprägt. Einerseits folgte er über Jahrzehnte festen Wertvorstellungen, andererseits agierte er in Detailfragen flexibel und pragmatisch. Dabei standen neben europapolitischen Erfolgen auch Niederlagen, Rückschläge und Enttäuschungen, die er offen und kritisch thematisierte. So wie Brandt für die Vertiefung und Erweiterung der EWG focht, sich für ein frei gewähltes europäisches Parlament einsetzte, die KSZE vordachte und auf der Einbindung Osteuropas beharrte, rang er zugleich mit dem (post)kolonialen Charakter des europäischen Projekts, frustrierte ihn die schleppende Einbindung der Bürger oder verhallten seine Rufe nach einer sozialen Union. Diese Innovationen, Interventionen und Frustrationen transformierten nicht nur das europäische Projekt, sie sind auch essentiell für ein besseres Verständnis des jungen sozialistischen Journalisten, des aufstrebenden Politikers, des Kanzlers oder des Elder Statesman Brandt. Sein Engagement ist damit auch ein Prisma für die andauernden aber auch wechselhaften Bestrebungen zahlreicher europäischer Personen, Gruppen und Parteien, die Institutionalisierung des politischen Europas mit übergreifenden sozialdemokratischen Werten von Frieden, Gerechtigkeit und globaler Verständigung zu verbinden. Im Sinne einer gesellschaftsbewussten intellectual history erkundet das Forschungsprojekt Willy Brandts europapolitisches Denken und Wirken in zwei Teilen: Entstehen soll zum ersten eine Anthologie, die ausgewählte europapolitische Texte Willy Brandts für die universitäre Lehre, für die politische Bildung und für eine breitere interessierte Leserschaft zusammenstellt, kommentiert und kontextualisiert. Zum zweiten und darauf aufbauend folgt eine wissenschaftliche Monographie zu Brandts europapolitischen Reflexionen von der Jugend bis in hohe Alter. Seine kritischen Gedanken verdeutlichen, dass die oft monierten „europäischen Defizite“ keineswegs nur ungelöste Aufgaben darstellen, sondern vielmehr auch Ergebnisse getroffener Entscheidungen sind. So sind Brandts Interventionen wie auch seine Frustrationen ideale Ansatzpunkte, um die prominente Meistererzählung der schwierigen, aber letztlich erfolgreichen europäischen Einigung zu hinterfragen. PD Dr. Frank Wolff Wissenschaftlicher Mitarbeiter E-Mail schreiben Telefon Icon 030 787 707 12 Umfrage Icon Lebenslauf Profil