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Neuerscheinung: Sozialdemokratie Global – Willy Brandt und die Sozialistische Internationale in Lateinamerika

The Foundation

Bernd Rothers neues Buch „Sozialdemokratie global – Willy Brandt und die Sozialistische Internationale in Lateinamerika“ ist die erste Darstellung der Beziehungen zwischen den Reformkräften Europas und Lateinamerikas während Brandts SI-Präsidentschaft (1976–1992). Das Buch beschreibt, wie die Internationale in Mittel- und Südamerika zu einem wichtigen Faktor wurde, wie beunruhigt die USA auf diesen neuen Global Player reagierten und wie die Konflikte in El Salvador oder Nicaragua auf die deutsche Innenpolitik zurückwirkten.

Das Buch ist der erste Band der neuen Publikationsreihe „Willy Brandt – Studien und Dokumente“ des Campus-Verlags. In ihr erscheinen wissenschaftliche Arbeiten über Willy Brandts politisches Wirken sowie kommentierte Dokumenteneditionen und Neuauflagen seiner wichtigsten Bücher und Schriften. Zur Neuerscheinung sprechen wir mit Bernd Rother über die zentralen Thesen seines Buchs.

Die Sozialistische Internationale wurde 1951 in Frankfurt am Main als Zusammenschluss sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien gegründet. Mit dem SI-Kongress in Genf 1976 steuerte die Organisation auf ihre internationale Öffnung hin. Welche Schwerpunkte wurden damals gesetzt?

Das wichtigste Ziel, das man sich 1976 setzte, war die Öffnung für außereuropäische Partner. Die SI sollte nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich eine weltumspannende Organisation werden. Willy Brandt, der auf dem Kongress in Genf das Amt des SI-Präsidenten übernahm, sprach von drei Aufgaben, die von der SI angepackt werden müssten: einer „Offensive für den gesicherten Frieden“, einer „Offensive für neue Beziehungen zwischen Nord und Süd“ und einer „Offensive für die Menschenrechte“.

Warum spielte die Unterstützung der Reformkräfte in Lateinamerika dabei eine so bedeutende Rolle?

Die Sozialistische Internationale brauchte Partner auf anderen Kontinenten, wollte sie zu einem Global Player werden. Nur in Lateinamerika und der Karibik fanden Europas Sozialdemokraten und Sozialisten kooperationsbereite Kräfte. Lateinamerikas reformistische Linke (und die der Karibik) hatte sich seit Beginn der Siebzigerjahre aus eigenem Antrieb auf die Suche nach Verbündeten gemacht, um die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten zu mildern und um einen Dritten Weg zwischen Kommunismus und ungezügeltem Kapitalismus beschreiten zu können.

Die USA betrachtete Lateinamerika als ihre Haupteinflusssphäre. Wie haben sie dort auf die SI als neuen Akteur reagiert?

Zuerst waren die Vereinigten Staaten irritiert, dann erkannten sie, dass hier ein ernstzunehmender Akteur aufgetaucht war. Unter Ronald Reagan wurde im US-Außenministerium eigens eine Stabsstelle zur Beobachtung der SI eingerichtet; der Dialog erhielt eine bisher ungeahnte Intensität. Die USA unter Reagan verfolgten in Lateinamerika eine andere Strategie als die SI, setzten auf die militärische Niederschlagung linker Bewegungen. Aber sie erkannten, dass auch die Sozialistische Internationale einen Vormarsch der Kommunisten verhindern wollte, wenn auch mit ganz anderen Mitteln. „Bleibt am Ball, zieht Euch nicht zurück“, lautete die Botschaft aus Washington.

Die politischen Ereignisse in Lateinamerika spielten nicht nur global, sondern auch in Deutschland vermehrt eine Rolle. Wie wirkten sich die Konflikte in El Salvador und Nicaragua auf die deutsche Innenpolitik aus?

Die Sozialistische Internationale – und damit auch die SPD – solidarisierte sich in Zentralamerika mit Befreiungsbewegungen, die gegen von den USA unterstützte Kräfte kämpften. In El Salvador hatten sich die dortigen Sozialdemokraten mit der Guerilla zusammengetan, die einen Aufstand gegen die christdemokratische Regierung unternahm. Die SPD musste sich des Vorwurfs des Antiamerikanismus und der Zusammenarbeit mit Kommunisten erwehren. Ihr Gegenargument lautete: Nur wenn der „Westen“ endlich auch in Ländern wie El Salvador und Nicaragua für grundlegende soziale Reformen eintritt, kann der Vormarsch des Kommunismus gestoppt werden. Die USA und die CDU/CSU hingegen setzten vielfach auf korrupte Herrscher, nur weil diese Antikommunisten waren.

1976 übernahm Willy Brandt die Präsidentschaft der SI und behielt diese bis 1992 innen. Was waren seine wichtigsten Errungenschaften?

Willy Brandt führte die SI zu internationaler Bedeutung, die sie weder zuvor noch danach besaß. Er öffnete der Internationale die Türen der Mächtigen der Welt. Aus einem Klub europäischer Linker machte er eine wahrhaft weltweite Bewegung.

Am 25. November 2021 findet in Berlin die Buchpräsentation statt. Der ehemalige österreichische Bundespräsident, Heinz Fischer, stellt das Buch vor. Im Anschluss spricht er mit der Historikerin Christine Hatzky, Professorin für die Geschichte Lateinamerikas und der Karibik an der Leibniz Universität Hannover, und dem Autor; moderieren wird Valeska Hesse, Leiterin des Lateinamerika-Referats der Friedrich-Ebert-Stiftung.

 

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