Startseite / Aktuelles / Neuigkeiten / Interview: “Ein Stück Machtwechsel” Interview: “Ein Stück Machtwechsel” Bernd Rother über den Beginn der sozial-liberalen Ära Stiftung Icon Die Stiftung Veröffentlicht: 01. März 2019 In diesem Jahr jährt sich nicht nur die Wahl Heinemanns zum Bundespräsidenten, sondern auch die Wahl von Willy Brandt zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler. Als Gustav Heinemann am 5. März 1969 in der dritten Wahlrunde zum Bundespräsidenten gewählt wurde, war die Begeisterung seiner Unterstützer groß. Rudolf Augstein äußerte sich wie folgt dazu: „Wir alle, denen die Dauerherrschaft der CDU /CSU zum Himmel stinkt, haben … erfahren, dass ein Wechsel nicht nur nötig, dass er auch möglich ist.“ In dem Zitat zeigt sich die Hoffnung, dass Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt werden könnte. Inwieweit hat die Wahl von Gustav Heinemann die Wahl von Willy Brandt begünstigt? Die Wahl des Bundespräsidenten war die erste Nagelprobe für ein sozial-liberales Bündnis – ob eine Koalition zwischen SPD und FDP funktionieren könnte. Wie nach der Bundestagswahl im September 1969 war auch in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten am 5. März wählte, die Mehrheit von SPD und FDP äußerst knapp. Die offene Frage war jeweils, hält das, reicht das und wird das funktionieren? Die erfolgreiche Wahl Heinemanns war ein sehr wichtiges Zeichen, dass es nach der Bundestagswahl auch eine neue Regierung geben könnte. Heinemann und Brandt forderten beide in ihren Antrittsreden „mehr Demokratie“. Warum war diese Forderung Ende der 60er Jahre so essenziell? Das war eine der zentralen Botschaften der außerparlamentarischen Opposition, die seit 1966 von Studenten bei den Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg der USA und gegen die geplanten Notstandsgesetze auf die Straße getragen wurde. So befürchtete man bei den Notstandsgesetzen eine Einschränkung der Demokratie. Aber es ging aber auch um die Ausweitung von Demokratie und um Mitbestimmungsrechte. Diese Dynamik setzte sich in anderen gesellschaftlichen Bereichen fort, sodass es dann 1969/1970 kaum noch einen Bereich gab, indem nicht sinnvollerweise oder manchmal in bizarrer Form eine Demokratisierung gefordert wurde. Willy Brandt kommentierte das einmal ironisch mit dem Satz: „Demokratisierung der Familie meint doch nicht, dass darüber abgestimmt wird, wer der Vater ist.“ Wie wurde „mehr Demokratie“ durch Heinemann und Brandt umgesetzt? „Mehr Demokratie“ war eine Kombination aus Reden, Botschaften und symbolischen Gesten sowie aus praktischen Dingen. Als Bundespräsident war die symbolische Form, wie Heinemann Deutschland repräsentierte, sehr wichtig. Bei Willy Brandt als Bundeskanzler ging das natürlich noch viel weiter. Nur ein Beispiel: Die Senkung des Wahlalters von 21 auf 18. 18-Jährige durften ab 1972 an der Bundestagswahl teilnehmen – während es vorher erst ab 21 möglich war. Mit dieser Veranstaltung beginnt das Programm der Stiftung zum 50-jährigen Jubiläum der Kanzlerschaft Willy Brandts, das in diesem Jahr unter dem Motto „Demokratie“ steht. Wie viel Demokratie finden wir im Programm in diesem Jahr? Die Jahresmottos sollen die damaligen Schwerpunkte aus Brandts Regierungszeit aufgreifen und einen Bogen zu Themen mit aktuellem Bezug schlagen. Die Auseinandersetzung mit der Demokratie in Veranstaltungen, der Bildungsarbeit und den Ausstellungen wird in diesem Jahr ein klarer Schwerpunkt. Einer der Höhepunkte wird der Festakt am 21. Oktober zum 50. Jahrestag der Wahl von Willy Brandt zum Bundeskanzler sein. Am darauffolgenden Tag findet dann die Eröffnung der großen Willy Brandt Wanderausstellung im Paul-Löbe-Haus statt. Die Ausstellung ist ein wesentlicher Baustein des Begleitprogramms zum 50-jährigen Jubiläum der Kanzlerschaft. Auch bei der Willy-Brandt-Rede Lübeck, der Willy Brandt Lecture und vielen anderen Veranstaltungen wird das Thema Demokratie im Mittelpunkt stehen. Bereits im April findet mit dem Willy-Brandt-Gespräch 2019 ein weiterer Höhepunkt statt. Ralf Fücks, Katja Kipping, Ralf Mützenich und Nadine Godehardt diskutieren, was zum Schutz und zur Förderung der Demokratie und der Menschenrechte zu tun ist, damit Autokraten und Diktatoren nicht die Zukunft gehört. Weitere Neuigkeiten