Photo: Bundesregierung/Detlef Gräfingholt

Der Rücktritt Willy Brandts

The Foundation

Vor 50 Jahren, am 6. Mai 1974, trat Willy Brandt vom Amt des Bundeskanzlers zurück. Er übernahm damit die politische Verantwortung für die Spionageaffäre um seinen persönlichen Referenten Günter Guillaume. In den rund zwei Wochen zwischen der Verhaftung des DDR-Agenten und dem Entschluss zum Rücktritt war Brandt unter enormen öffentlichen Druck geraten.

Nicht nur die Boulevardmedien spekulierten damals darüber, was der Spion Guillaume womöglich an die DDR verraten hatte und welches Erpressungspotenzial darin liegen konnte. Am 1. Mai wurde dem Kanzler ein »Dossier des Bundeskriminalamts überbracht, worin es laut Aussagen seiner Sicherheitsleute hieß, Guillaume habe ihm regelmäßig Frauen „zugeführt“ – nicht belegbare Behauptungen über Brandts Privatleben, die plötzlich in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit rückten.

Am 4. Mai kam es dann am Rande einer Klausurtagung der SPD-Spitze in Bad Münstereifel zu einem »Vieraugengespräch zwischen Willy Brandt und Herbert Wehner. Der SPD-Fraktionsvorsitzende, der schon seit längerer Zeit öffentlich an der Regierungsfähigkeit des Kanzlers gezweifelt hatte, legte ihm zwar nicht direkt den Rücktritt nahe, widersprach aber auch nicht, als Brandt diesen Schritt selbst ins Spiel brachte.

Am Morgen des 5. Mai informierte Willy Brandt die SPD-Führung über seinen Entschluss, zurückzutreten. In seinem offiziellen Rücktrittsschreiben, das Bundespräsident Gustav Heinemann am Abend des 6. Mai erhielt, erklärte Brandt, er „übernehme die politische Verantwortung für Fahrlässigkeiten im Zusammenhang mit der Agentenaffäre Guillaume“. In einem persönlichen Begleitbrief schrieb er: „Ich bleibe in der Politik, aber die jetzige Last muss ich loswerden.“

Um Mitternacht wurde die Nachricht seines Rücktritts offiziell über die Medien verbreitet, am 7. Mai erläuterte Brandt seine Entscheidung vor der SPD-Bundestagsfraktion, und am Tag darauf äußerte er sich in einer »Fernsehansprache mit den Worten: „Was immer mir an Ratschlägen gegeben worden war, ich hätte nicht zulassen dürfen, dass während meines Urlaubs in Norwegen im Sommer vergangenen Jahres auch geheime Papiere durch die Hände des Agenten gegangen sind. Es ist und bleibt grotesk, einen deutschen Bundeskanzler für erpressbar zu halten. Ich bin es jedenfalls nicht.“

Dass die sozial-liberale Koalition trotz dieser Krise stabil blieb, bewiesen SPD und FDP in der Woche nach Willy Brandts Rücktritt. Am 15. Mai 1974 wählte die Bundesversammlung in Bonn den bisherigen Bundesaußenminister Walter Scheel zum neuen Bundespräsidenten. Einen Tag später wurde Helmut Schmidt vom Bundestag zum Nachfolger Brandts gewählt. Die erste Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers stand unter dem Motto „Kontinuität und Konzentration“.

Die Guillaume-Affäre erschütterte damals die Bundesrepublik, doch war sie letztlich nur der Anlass, nicht aber die Ursache von Willy Brandts Rücktritt. Lesen Sie dazu die umfassende »historische Einordnung von unser wissenschaftlichen Mitarbeiterin Kristina Meyer.

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